Ein Gastbeitrag von Hilde Stockmann

Aus dem Leben der Familie des Pastors Felix Coulin
* 01.12.1879 in Libau +10.10.1963 in Kiel
Pastor in Koserow, Insel Usedom von 1918 – 1945

 

Ich habe im Laufe der Jahre viel über die Kirche Koserow zusammengetragen.

Aber über den interessanten Lebensweg des Pastors Coulin in Koserow haben wir erst erfahren, als die Enkelkinder zum 100. Antritt des Großvaters zu Besuch kamen und uns Berichte gaben.

Hier die Beschreibung durch den Schwiegersohn:

Er war ein kluger, temperamentvoller Mann, der von seiner Mutter, wie die meisten Geschwister, Musikalität und einen Hang zum Grübeln in manchmal ein wenig mystischen Bezirken geerbt hatte. Seine musikalische Begabung befähigte ihn, zu jedem Liede frei eine dritte  Stimme zu singen und mit erstaunlicher Technik Trompete zu blasen. Den Unterricht hatte ihm der Schuldiener gegeben. Nach diesen Anfangsgründen war er als Autodidakt erstaunlich vorangekommen. Wir haben im Koserower Pfarrhaus viel miteinander musiziert.

Pastor Felix Gustav Coulin

Nach dem Theologiestudium in Dorpat ging Felix Coulin als Pastor in die deutschen Gemeinden an der Wolga. Doch vorher heiratete er 1905 Olga Helene Anastasia von Kobro, geb. 22.01.1875 in Odessa, aus Libau.

Anastasia hatte bereits in den Jahren 1902 und 1903 beide Eltern verloren. Ihr Vater, der ehemalige Oberst  Nikolai von Kobro (geboren 07.02.1836), war Leiter des Zollamtes in Libau gewesen und hatte mit seiner Familie im Zollamt gewohnt. An ihr Grundstück grenzte der Garten des Ratsherren Wirkau, zu dem die vielen Enkel des Coulins sonntags häufig zu Besuch kamen. Dem Trubel dieser temperamentvollen Schar sahen dann die Kobro-Töchter mit Belustigung, aber offenbar nicht ohne Sympathie zu. Zwei von ihnen, Olga und Katharina, heirateten nach Jahren zwei Brüder der Coulins, Arnold und Felix.

Nikolai von Kobro war mit Amalie geb. Peschel (geboren 1837 in Ragnit, Ostpreußen) verheiratet. Sein Vater Andreas von Kobro diente als General in der Zarenarmee, seine Ehefrau war Pauline von Seeck (geb. 1814). Andreas von Kobro (geboren 1807) stammte aus Gorodock im Gouvernement Witebsk, wo sein Vater Nikolai von Kobro (geboren 1756) als Kreisarzt wirkte. Seine (erste) Frau Elisabeth Christine geb. Frank, ertrank 1818 vierundvierzigjährig in der Düna.

1927, Pastor Coulin mit Familie vor der Kirche in Koserow

Mitteilung der Enkelin:

Unsere Eltern trafen sich in Koserow 1924, Vater war 18 und Mutter erst 17 Jahre alt. Unser Großvater Felix Coulin, geboren am 1.12.1879 in Libau, hat in Dorpat studiert und ging nach dem Studium als Hilfsprediger nach Saratow an die Wolga. Seine erste eigene Pfarrstelle bekam er in Jagodnaja Poljana, wo auch unsere Mutter am 26.11.1907 geboren wurde. Später folgten noch 5 friedliche Jahre in Zarizyn, dem späteren Stalingrad, dann zog die Familie 1913 ins Baltikum zurück. 

Im Dezember 1944 wurde unser Großvater 65, an Weihnachten 1944 hat er seine letzte Predigt gehalten. Aus Furcht vor dem Einmarsch der Russen verließ er im März 1945 Koserow und zog nach Breklum, einem kleinen Missionsdorf bei Husum, wo eine seiner Schwiegertöchter zu Hause war.

Unsere Mutter war mit uns sieben Kindern schon zwei Jahre vorher aus Stettin geflohen und zu ihren Eltern nach Koserow gezogen. Wir Kinder haben die noch verhältnismäßig friedlichen Jahre im Pfarrhaus in schöner Erinnerung. Dann mussten wir 1945 ebenfalls das Pfarrhaus verlassen und ging zu unseren anderen Großeltern nach Zingst auf den Darß.

Wir haben dort den Einmarsch der Russen mit allen Schrecken überlebt und erst als wir 1946 Nachricht von unserem Vater bekamen, konnten wir mit einem Flüchtlingstreck über Berlin auch nach Schleswig-Holstein gelangen.

Das war auch der Grund unseres Besuchs (4 Enkelkinder) in Koserow im
September 2018, genau 100 Jahre nach dem Amtsantritt unseres geliebten Großvaters.

Hinweise zu den Familien unter: Ausländer im vorrevolutionären Russland