Es ist der 30.Januar 1945. Mein Urgroßvater Johann Pospiech bekommt die Nachricht, dass er an die Front muss, um sein Land zu verteidigen.

Er wird seine Frau und seine Kinder nie wieder sehen.

Johann Pospiech wurde am 24.Juni 1901 in der Gemeinde Knispel im Kreis Leobschütz in Oberschlesien geboren. Seine Eltern waren Franz und Franziska Pospiech. Er war ca. 1,75 m groß, hatte eine normale Statur, hatte blonde Haare und braune Augen, seine Nase war gerade und sein Gesicht war oval.

Er wuchs in Knispel auf und ging 8 Jahre auf die Volksschule, dann arbeitete er von 1913-1920 auf dem familiären Bauernhof und half als Bauer mit, den landwirtschaftlichen Betrieb aufrecht zu erhalten.

Als er 18 wurde, zog er von Zuhause weg und begann in Brieskow-Finkenheerd in Brandenburg sein eigenes Leben, hier lernte er auch seine spätere Frau Alwine kennen.

Alwine in der Mitte, in Schwarz gekleidet.

Sie bestellten das Aufgebot zur Hochzeit am 25.Oktober 1935 und heirateten schließlich am 15.November 1935 in Oberlindow.

In den Jahren darauf bekamen Sie drei Kinder, auch meinen Großvater, wie ich hier bereits berichtet habe.

Ab 1939 begann der 2. Weltkrieg. Johann musste zwischendurch immer an die Front, und bekam 1942 das letzte Kind.

Am 30.01.1945 wurde der Gefreite Johann Pospiech dann endgültig einberufen und trennte sich von seiner Familie. Er war im Infanteriebataillon Nr. 3, Standort: Perleberg als Schütze an der Front und wurde in Königs Wusterhausen bei Berlin verwundet. Daraufhin kam er in ein Lazarett (Militärkrankenhaus) und wurde am 30.April.1945 von der Roten Armee im Lazarett gefangen genommen.

Am 25.November.1945 wurde er im Lager Nr. 158, Zweiglager 1 in Tscherepowez, Gebiet Wologda als Gefangener registriert und wurde, nachdem es ihm gesundheitlich schlechter ging, in das Spezialhospital Nr. 2715 in Tschagoda, Gebiet Wolodga eingeliefert.

Nach der Einlieferung schickte er einen Brief an seine Ehefrau und seine Kinder, Alwine erhielt diesen Brief am 02.05.1946 – dies war das letzte Lebenszeichen von ihm an seine Ehefrau.

Nachdem es ihm besser ging, wurde er am 13.Juni 1946 in das Lager Nr. 437 in Tscherepowez überstellt.

Dort musste er mit ca. 9000 anderen Kriegsgefangenen in Baracken leben, die Verpflegung war schlecht und zu wenig.

Täglich musste er 10 Stunden am Tag im Holzschlag und der Holzverarbeitung, im Torfstich oder in der Metallzeche arbeiten, um wenigstens ein wenig Geld zu verdienen.

Es gab kaum Medikamente, darum starben ca. 90 % der Kriegsgefangenen dort.

In der Zeit schrieb er noch einen Brief an seine Schwester Anna Vogt, geborene Pospiech – Sie erhielt diesen Brief Ostern 1947 – jedoch zu spät.

Johann Pospiech wurde am 03.August 1946 in das Lager Nr. 69 in Frankfurt (Oder) zur Repatriierung abgefahren. Er begab sich mit einigen anderen Kriegsgefangenen auf die 2000 Kilometer lange Reise von Tscherepowez zurück in die „Heimat“. Wahrscheinlich war er schon gesundheitlich angeschlagen.

Johann erreichte das Lager nie, er ist während der Fahrt nach Frankfurt/Oder oder in einem Lazarett auf dem Weg dorthin gestorben.

Da den Kriegsgefangenen jegliche Papiere abgenommen wurden und die Kriegsgefangenen sich nicht wirklich kannten, konnte sein genauer Sterbeort und Sterbedatum nicht mehr herausgefunden werden.

Strecke Tscherepowez – Frankfurt (Oder) – 2000 Kilometer

Seine Ehefrau Alwine stellte 1949, nachdem endgültig keine Antwort mehr von ihm kam, einen Antrag auf Todesbeschluss.

Sie beantragte diesen im Amtsgericht Frankfurt-Oder. Johann Pospiech galt dann ab den 31.Juli.1949 als verstorben.

Doch woher habe ich all diese Informationen?

Dank folgenden Behörden:

  • Dem Standesamt

  • Der WAST

  • Und dem Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes

Ich möchte gerne näher auf den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes eingehen:

Am 27.September 2013 ging ich auf die Webseite des Suchdienst des DRK: https://www.drk-suchdienst.de und klickte auf den Menüpunkt „Suchanfragen“, dann auf das Online-Suchformular für den 2. Weltkrieg: https://www.drk-suchdienst.de/de/suchanfragen/online-suchformular-zweiter-weltkrieg , dann füllte ich alle Felder aus und schickte die Anfrage ab.

Ausgefülltes Formular

Am 07.Oktober 2013 bekam ich die Bestätigung, dass meine Anfrage eingegangen ist – jedoch mit dem Vermerk, dass es wegen der notwendigen Nachforschung einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen kann. So war es auch.

Vorgestern bekam ich dann einen großen Umschlag mit einer Menge an Blättern zugeschickt, ich öffnete diesen und da drin war die Antwort des DRK (siehe Bild).

Antwortschreiben vom Suchdienst

Anscheinend stellte die Schwester meines Urgroßvaters – Anna Vogt- einen Antrag ein Gutachten über seinen Verbleib zu erstellen. Über diese Schwester wusste ich bis dahin noch gar nichts.

Durch diesen Brief erhielt ich die russische Kriegsakte, eine Beschreibung wie solch eine Akte aufgebaut ist, ein Gutachten vom DRK – 1972 an die Schwester meines Urgroßvaters, ein Lagerspiegel des Gefangenenlagers und eine Meldekarte von Johann.

Russische Meldekarte von Johann Pospiech

Durch die Hilfe einiger anderer Ahnenforscher konnte ich die andere russische Kriegsakte übersetzen:

Kriegsministerium der UdSSR (MWD CCCP)
Hauptverwaltung für Angelegenheiten von Kriegsgefangenen und Internierten
Archiv Nummer 01026501 – 01026600
Erfassungsbogen
Über den Kriegsgefangenen (ausgebessert in den Plural) Entlassung in die Heimat

Verwaltung für Angelegenheiten von Kriegsgefangenen und Internierten 102653
Erfassungsbogen Nr. 15099 Lager Nr. 158 Datum der Aufnahme 25. November 1945
Fragebogen

1 Familienname: Pospiech
2 Vorname: Johann
3 Vorname des Vaters: Franz
4 Geburtsdatum: 1901
5 Geburtsort : Knispel, Bezirk Leobschütz
6 Adresse vor der Einberufung in die Armee: Landkreis Lebus in der Provinz Brandenburg
7 Nationalität: Deutsch
8 Sprache : Deutsch
9 Andere Sprachen: Deutsch
10 Staatsangehörigkeit: Deutsch
11 Parteiangehörigkeit: keine Angehörigkeit
12 Bekenntnis: katholisch
13 Bildung: a) allgemeine: 8 Jahre Volksschule
b) berufliche: keine
c) militärische: keine
14 Beruf vor der Einberufung: Arbeiter
15 Berufserfahrung: 30 Jahre
16 In welcher gegnerischen Armee: in der deutschen
17 einberufen/freiwillig: einberufen
18 einberufen: 30.01.1945
19 Truppenart: Infanterie
20 Letzter Truppenteil vor der Gefangenschaft: Infanteriebat. Nr 3
21 Matrikelnummer: nicht bewertet
22 Dienstgrad: Soldat
23 Postenart: Schütze
24 Auszeichnungen: nicht angegeben
25 gefangengenommen oder freiwillig: gefangen genommen
26 gefangengenommen: 30.04.1945, Königswusterhausen
27 wo gefangen: im Lazarett
28 Familienstand: verheiratet
29 Vor-,Nach- und Vaters- name der Ehefrau und Kinder, Alter, Beschäftigung, genaue Adresse:

Alwine, geb. Schubert
Kinder: Horst – 1936
[2 weitere Kinder aus Datenschutzgründen hier im Artikel nicht erwähnt]

alle sind Schüler


30 Angaben zum Vater und Mutter: F. Pospiech, Arbeiter

31 Geschwister: Franz 1889, Anton 1895, Paul 1905, Vogt, Anna 1899
32 Stand des Vaters: Arbeiter
33 Sozialer Stand der Vaters: Arbeiter
34 Eigentum: ein Haus, 1 ha Land
35 Sozialerstand und Eigentum des Gefangen.: nicht angegeben
36 ob er irgendwo in der UdSSR wohnhaft gewesen ist: Nein
37 Verwandte/Bekannte in der UdSSR: Nein
38 ob er mal angeklagt wurde oder im Gefangnis saß: Nein
39 ob er andere Länder besuchte: Nein
40 der genaue schulische und berufliche Werdegang:

1913 Eintritt in die Schule
1913 – 1920 Arbeit als Bauer
1920 – 1945 Arbeit auf dem Land im Dorf Fenken [?]
1945 Gefangenschaft im Lazarett

41 Unterschrift des Gefangenen und Datum: 1.12.1945 Johann Pospiech

Bemerkung :

Körpergröße – mittel, Statur – normal, Haarfarbe – blond, Augenfarbe – braun, Nase – gerade, Gesicht – oval
Es folgen die Verlegungen von Lager zu Lager als letztes am 3. VIII 46 in das Lager N. 69 in Frankfurt an der Oder

Durch diese neuen Informationen kann ich mir meinen Urgroßvaters sehr viel besser vorstellen. Leider habe ich noch kein Foto von ihm, jedoch erhoffe ich, dass noch ein Kind von Johann eins hat. Mein Großvater starb 2006, das andere Kind 2012 und eins lebt noch, jetzt versuche ich Kontakt zu ihm aufzubauen.

Ich bedanke mich vielmals bei dem Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes, bei den anderen Behörden und den Forschern, die mir bei der Übersetzung geholfen haben.

Ich kann es jedem nur empfehlen, auch so eine Anfrage beim Suchdienst des DRK zu stellen!

Liebe Grüße,

David