Ein Gastbeitrag von Wolfram Stratmann

 

Vielleicht kennen einige noch die blauen Kunststoff-Reisetaschen mit der weißen Aufschrift PAA, Pan American Airways. PAA war der ICAO-Code für diese Fluggesellschaft. Später gab es Taschen mit einer stilisierten Weltkugel und der Aufschrift PAN AM.

PAA blieb mir immer im Gedächtnis, aber aus einem ganz anderen Grund.

Meine Mutter war zum Ende des zweiten Weltkriegs aus Stettin in die Stadt gekommen, in der ich später geboren wurde. Als Kind hatte ich einen Ausweis, der vorne das blaue Kennzeichen PAA trug. Er wurde von meinen Eltern bis zu meinem fünfzehnten Lebensjahr bei Auslandsreisen als mein Kinderausweis genutzt,. Dann fiel auf, dass er längst ungültig war. Ich hatte den Ausweis noch lange. Vor gut fünfzehn Jahren wollte ich ihn digitalisieren, aber er war spurlos verschwunden. Das habe ich bereut, weil es der einzige Nachweis für meine Existenz als registrierter Einwohner in meiner Geburtsstadt war.

Optimistisch fragte ich in der Stadt nach und wollte eine Selbstauskunft haben. Die steht mir nach § 10 des Bundesmeldegesetzes (BMG) zu. Dessen § 3 listet alle über eine Person gespeicherten Daten auf. Das muss die Meldebehörde der Geburtsstadt eines jeden Deutschen tun. Die Datensammlung gab es bereits in den früheren Melderechtsversionen, also auch vor dem zweiten Weltkrieg, was für Ahnenforscher, Heimkinder, oder Adoptierte eine wichtige Quelle sein kann. Nach einigen Jahren und etwas Geplänkel bekam ich von meiner Geburtsstadt die schriftliche Auskunft, ich sei dort niemals als Bürger registriert gewesen.

Humpf!? War ich Ausländer und in meinen ersten acht Lebensjahren nirgendwo? In einer Schule war ich jedenfalls nicht. Das lässt Spekulationen sprießen, weil meine Eltern angeblich nichts aus der Zeit wussten.

Dann wies ich bei meiner Geburtsstadt darauf hin, dass ich früher einen Kinderausweis von dieser Stadt hatte, auf dem vorne die Aufschrift PAA stand. Dazu wurde mir schriftlich versichert, man hätte nie Ausweise mit dieser Aufschrift ausgegeben. Ich tröstete mich, immerhin war nun bewiesen, dass ich niemals Einwohner dieser Stadt war. Wo meine Meldedaten pflichtgemäß gesammelt werden, blieb unbekannt.

Trotzdem wollte ich wissen, wo die Kinderausweise mit der Aufschrift PAA ausgestellt wurden.

Die Internet-Recherche zeigte magere Ergebnisse. Ich fand zwei Ausweise, die aber andere Kennbuchstaben hatten. Es gab also unterschiedliche Kennbuchstaben. Die weitere Suche brachte mich auf Melderechts- und Volkszählungsanordnungen der alliierten Siegermächte. Meine Geburtsstadt lag in der Britischen Zone. Die britische Botschaft reagierte sehr freundlich, konnte mir aber nicht weiterhelfen. Dann besann ich mich auf die deutschen Meldebehörden. Deren Tun unterliegt als höchster Behörde dem Landes-Innenministerium. Zuständig war hier die Landesregierung in Hannover. Vor dort erhielt ich die prompte schriftliche Antwort, das Behördenkennzeichen PAA wurde der Stadt Delmenhorst zugeteilt!

Aha, meine Erinnerung war also richtig!

Seit einigen Tagen krame ich in den Kartons mit Ahnenforschungsunterlagen. In der letzten Kiste, ganz unten lag doch tatsächlich mein PAA – Ausweis in einer Klarsichthülle und so nicht der Feuchtigkeit anheimgefallen. Ich habe ihn gleich fotografiert, werde ihn aber nun endlich auch noch richtig digitalisieren.

Hier ist er, anscheinend ein seltenes Stück:

 

Ja, ich hatte als Kind einen anderen Namen. Hinsichtlich der Lücke in der Familienforschung ist nun aber sicher, die Frau die mich geboren hat, war mehrere Jahre in Delmenhorst. Damit zeigt sich eine Station ihrer Flucht aus Stettin, auch wenn ihr Name in meinem Ausweis nicht genannt ist. Meine Mutter konnte ihre Flucht aus Stettin anscheinend nicht unbeschwert beenden. Aus meinem Blickwinkel fand diese erst nach fünfundzwanzig Jahren im Herbst 1970 ein Ende, als sie in einer norddeutschen Großstadt ankam.

Aufzuklären sind noch die Ungereimtheiten zu ihren Wohnsitzen, die sie während der Gültigkeit meines Ausweises hatte und die nicht in meinem Ausweis angegeben sind. Meine Mutter konnte ihre Flucht aus Stettin anscheinend nicht unbeschwert beenden.

Einstweilen erkennt man, es fehlt die pflichtgemäße Unterschrift der Mutter auf meinem Ausweis. Nur der Vater hat unterschrieben. Damals wurde die Verbindung der Erziehungsberechtigten mit dem Kind per pflichtgemäßer Unterschrift im Ausweis bewiesen. Im Nachfolgestaat wurde das geändert und die Kinder von Amtswegen in die Pässe der Eltern eingetragen. Weil meine Eltern meinen PAA-Ausweis praktisch bis zu meiner altersmäßigen Ausweispflicht nutzten, war ich nie in deren Pässe eingetragen. Wie das trotz der frühzeitigen Ungültigkeit meines Kinderausweises möglich war, ist ein weiterer Rechercheansatz.

Vielleicht hat der eine oder die andere hier eine Anregung zur Suche nach Daten gefunden.

Viele Grüße
Wolfram Stratmann

 

2 Gedanken zu “Ein Ausweis aus dem Land PAA”

  • Hallo Herr Schwertel,

    Hat die Meldeauskunft aus Köln bis dato etwas Brauchbares ergeben? Haben Sie vielleicht mit der Forschungsgruppe Stolp schon Kontakt aufgenommen? Vielleicht gibt es ja in Sekundärquellen noch Informationen die dienlich sein könnten. Ich habe bei unehelichen Geburten die weit vor dem Datum einer späteren Heirat der Mutter liegen auch schon gesehen, dass der Stiefvater (engl. stepfather) nicht angegeben war. Wobei Köln hier keines meiner Forschungsgebiete ist, ich aber durchaus in Bonn darüber einmal gestolpert bin. Fand ich damals genauso irritierend, hatte es aber so ungefragt belassen, da es sich um keine brauchbare Spur meiner Forschung handelte.

    Beste Grüße
    Jana

  • Erst einmal viele Grüße an den Verfasser Stratmann,

    sehr interessiert habe ich den Artikel gelesen und erhoffe mir evtl. Hinweise auf mein Vorgehen bzgl. meiner eigenen Ahnenforschung.

    Mein Großvater (mütterlicherseits) Manfred Thurow wurde am 22. Juli 1933 in Stolp geboren. Im Kirchenspiel St. Marien wurde laut Stolper Kirchenblatt (1928-1942, Siegfried Krause) am 05. November 1933 auch ein Manfred Thurow getauft.

    In der Eheurkunde (Ort: Bonn) meiner Großeltern steht bei Manfred Thurow lediglich seine Mutter Gertrud Martha Maria Thurow (laut eidesstattlicher Versicherung, wohnhaft in Köln).

    Diese Gertrud Thurow habe ich dank Sterbeurkunden Kölns online gefunden. Sie (Jg. 1911) hatte 1943 erstmals in Köln geheiratet und daher beantragte ich diese Eheurkunde. Hier jedoch stand mein Großvater wiederum nicht drin. Weder unter “Gemeinsame Kinder”, “Uneheliche Kinder weiblicher Abkömmlinge”, “An Kindes Statt angenommene und für ehelich erklärte Kinder” oder “Raum für sonstige Eintragungen”.

    Von all den Angaben die ich habe, ist Gertrud Martha Maria Thurow die Mutter meines Großvaters und mein Opa unehelich geboren. Es irritiert mich jedoch, dass er in der Eheurkunde seiner Mutter und seines Stief-/Ziehvaters (mir gefällt die englische Bezeichnung father-in-law eigentlich besser) nicht eingetragen worden ist.

    Ich habe nun bei der Meldearchivauskunft der Stadt Köln nach Gertrud Thurow und Manfred Thurow angefragt, um festzustellen, ob sie tatsächlich in einer selben Wohnung gemeldet waren.

    Gibt es evtl. noch einen Weg, mehr herauszufinden?

    Vielen Dank.

    Beste Grüße
    Marcel Schwertel

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