Ein Beitrag von Dr. Dirk Schleinert, Direktor des Stadtarchivs Stralsund

 

Am 29. Dezember 2022 wurde auf dem Blog Pommerscher Greif e. V. unter der Rubrik Kurz und bündig ein Beitrag über online gestellte Linolschnitte Stralsunder Tore und Türme veröffentlicht, die von Fritz Rackow angefertigt wurden. Am Schluss des Beitrags steht die Frage: „Fritz Rackow war vermutlich Lehrer in Stralsund. Wer weiß mehr über ihn?“

Dieser Frage soll nun anhand der im Stadtarchiv Stralsund lagernden Dokumente etwas näher nachgegangen werden.

Fritz Walter Rackow kam am 26. Februar 1881 in Rosow, damals Kreis Randow, heute Landkreis Uckermark, als Sohn des Mühlenbesitzers Hermann Rackow und dessen Frau Anna geborene Lau auf die Welt. Der Vater wechselte später den Beruf und ging als Pflanzungsleiter in die deutsche Kolonie Kamerun. Zur Familie gehörten noch zwei ältere Brüder und eine jüngere Schwester, die aber alle schon vor 1948 verstarben. Zur Schule ging Fritz Rackow zunächst in Berlin, dann in Demmin. Von 1896 bis 1898 wurde er in der Präparandenanstalt Tribsees und danach im Lehrerseminar Pölitz zum Lehrer ausgebildet. In Pölitz legte er am 7. März 1901 die erste Lehrerprüfung ab, die zweite dann am 21. Juni 1907 in Dramburg und schließlich am 23. Mai 1913 die Mittelschullehrerprüfung in Stettin. Er unterrichtete in den Fächern Deutsch, Englisch, Zeichnen, Malen und Grafik. 1908 ging Rackow für ein halbes Jahr nach England.

Seine berufliche Laufbahn als Lehrer führte ihn zunächst in den Regierungsbezirk Köslin, wo er in den Jahren 1901 bis 1910 an den Schulen in Bramstädt, Groß Poplow, Virchow und Neuhof unterrichtete. Dann ging er für drei Jahre nach Demmin, anschließend für ein Jahr nach Oschersleben in der Provinz Sachsen, heute Sachsen-Anhalt, erstmals als Mittelschullehrer.

Zum 1. Oktober 1914 trat Rackow eine Stelle in Altentreptow (Treptow a. d. Tollense) an. Während seiner Altentreptower Zeit heiratete Fritz Rackow am 25. September 1915 in Demmin die dort am 1. September 1897 geborene Frieda Pape. Aus der Ehe gingen ein Sohn und eine Tochter hervor. Offenbar konnte die Familie vom Einkommen des Vaters leben, denn die Mutter ging keiner Arbeit nach.

Abb. 1: Blick über den Frankenteich auf die Altstadt von Stralsund. Vorn rechts auf der Blauturmbastion am Frankenwall die Knabenmittelschule, seit 1949 Gerhart-Hauptmann-Schule. Stadtarchiv Stralsund, E-Ia-096.

Vier Jahre später, zum 1. Oktober 1918, wechselte Rackow als Lehrer an die Knabenmittelschule nach Stralsund. Diese Schule war in dem in den Jahren 1897 bis 1900 auf der sogenannten Blauturmbastion am Frankenwall errichteten Gebäude untergebracht, das auch heute noch als Schule genutzt wird. 2008 schlossen sich die hier untergebrachte Gerhart-Hauptmann-Schule und das am Frankendamm gelegene Goethe-Gymnasium zum Schulzentrum am Sund zusammen.

Abb. 2: Das Lehrerkollegium der Knabenmittelschule um 1930. Stadtarchiv Stralsund, HF-1090 (Geschenk von Peter Bullemer, Heimatkreis Stralsund).

In den ersten Stralsunder Jahren wohnten die Rackows zuerst in der Hafen-, später dann in der Seestraße. 1935 zogen sie in ein neugebautes Haus in der Gustav-Adolf-Straße 15 in der Kniepervorstadt, welches sie gekauft hatten. Vom Dach des Hauses aus fertigte Rackow nach dem Bombenangriff am 6. Oktober 1944 zwei Aquarelle von der brennenden Altstadt an, die sich heute im Stadtarchiv befinden.

Abb. 3: Stralsund nach dem Bombenangriff am 6.10.1944. Blick vom Dachbodenfenster des Hauses Gustav-Adolf-Straße 15. Stadtarchiv Stralsund, E Ia 93.

Ein weiteres Aquarell zeigt eine nicht benannte Dorfkirche. Möglicherweise handelt es sich um die Rosower Kirche, aber so ganz entspricht sie nicht dem Original.

Abb. 4: Ansicht einer nicht benannten Dorfkirche. Stadtarchiv Stralsund, E-II-035.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg setzte Rackow seine Arbeit als Lehrer, jetzt an der Hansaoberschule, dem heutigen Hansa-Gymnasium, fort. Am 24. April 1948 unterschrieb er einen Arbeitsvertrag mit dem Ministerium für Volksbildung des Landes Mecklenburg, der in einem Zusatz auch die unbefristete Weiterbeschäftigung nach Vollendung des 65. Lebensjahres – Rackow war zu diesem Zeitpunkt bereits 67 – vorsah. Allerdings wurde er dann bereits zwei Jahre später in den Ruhestand versetzt. In dem entsprechenden Schreiben des Ministeriums heißt es dazu:

„Nach der Meldung des Schulrates und der BGL (Betriebsgewerkschaftsleitung, D.S.) sind Sie aufgrund Ihres Alters nicht mehr körperlich und geistig für diesen vollen Arbeitseinsatz kräftig genug, so dass das Ministerium für Volksbildung in Übereinstimmung mit dem Landesvorstand der Gewerkschaft der Lehrer und Erzieher beschlossen hat, Sie mit dem 30. Juni 1950 aus dem Schuldienst zu entlassen, damit Sie Ihren Lebensabend in Ruhe verbringen können, wozu wir Ihnen die besten Wünsche mit auf den Weg geben.“ 

Ein Einspruch Rackows dagegen wurde abgewiesen und so verbrachte er die letzten Jahre seines Lebens als Pensionär in Stralsund in seinem Haus in der Gustav-Adolf-Straße 15. Dort verstarb er auch, laut Todesanzeige beim Standesamt am 5. Dezember 1968 um 15.00 Uhr. Seine Frau folgte ihm knapp viereinhalb Jahre später am 9. Mai 1973.

Ein Porträt bzw. Passbild o. ä. konnte bislang nicht aufgefunden werden. In einem 1948 ausgefüllten Personalbogen enthält das entsprechende Feld lediglich die Notiz „wird nachgeliefert“. Das ist dann offensichtlich nicht mehr erfolgt.

Im Stadtarchiv Stralsund befinden sich einige zeichnerische Arbeiten von Fritz Rackow, u. a. die erwähnten Aquarelle. Daneben schrieb er auch Zeitungsartikel und zum 25-jährigen Bestehen des Stralsunder-Seglervereins eine kleine Festschrift.

Und es gibt noch eine besondere Beziehung zwischen Fritz Rackow und dem Stadtarchiv. Rackow war offensichtlich auch handwerklich sehr begabt. Ein von ihm angefertigter Lehnstuhl, mit Leder bespannt und mit aufwändigen Holzschnitzereien verziert, erhielt Archivdirektor Herbert Ewe in den 1970er Jahren zum Geschenk. Nach einer „Zwischenzeit“ im Rathaus befindet er sich seit über zehn Jahren wieder im Stadtarchiv bzw. im Johanniskloster im ehemaligen Arbeitszimmer Ewes am ebenso sehenswerten Schreibtisch.