Ein Beitrag von Matthias Beulke

 

Mein Forscherkollege Gerd Kropke aus Berlin und ich waren im Vorfeld der Tagung des Pommerschen Greif e.V. eine Woche in Pommern unterwegs. Mit Hin- und Rückfahrt bin ich knapp 2.000 Km gefahren, wir haben 3 Archive und ein Standesamt besucht, und in 5 Hotels übernachtet.

Das große Problem der Familienforscher in Hinterpommern ist der Verlust vieler genealogischer Quellen, eine große Anzahl Kirchenbücher ist in den Wirren des letzten Krieges verloren gegangen oder werden vermisst. Grundsätzlich fangen die Standesamtregister in Preußen erst 1875/76 an. Viele interessante Sekundärquellen, wie zum Bsp. Grundbücher, Höferollen, Stammrollen, Auswandererakten, Testamente etc., findet man selten irgendwo online, von daher lohnt sich eine Reise nach Pommern auf jeden Fall. Und es ist ein erhabenes Gefühl, wenn man plötzlich eine rund 100 Jahre alte Akte, der eigenen Vorfahren betreffend, in den Händen hält.

Ziel meines kurzen Berichtes ist es, Genealogie-Anfängern etwas die Scheu zu nehmen, mal ein polnisches Archiv zu besuchen. Glaubt mir, es ist alles halb so wild, und ähnlich wie in deutschen Archiven. Vorweg muss man sich gut vorbereiten, sich genau überlegen, welche Akten man einsehen möchte. Mittlerweile kann man bei allen polnischen Archiven sich über deren Websites anmelden, bereits den Benutzerantrag ausfüllen und auch die Archivalien bestellen. Dies hat den großen Vorteil, dass man sich vor Ort nur noch ausweisen muss, die Archivalien liegen bereits bereit und man ist an keine Aushebungszeiten gebunden.

Auf der Seite https://www.szukajwarchiwach.gov.pl/, dem Online-Portal polnischer Archive kann schon vor dem Besuch nach der Signatur der Archivalien suchen und über die dort aufgeführten Bestellformulare bestellen. In allen (auch in deutschen) Archiven darf man nicht mehr als 10 Akten pro Tag bestellen, wobei bei der 11. Akte oftmals ein Auge zugedrückt wird. Aber viel mehr schafft man i. d. R. am Tag eh nicht. In allen Archiven, wo ich bisher war, ist das Fotografieren erlaubt, wobei man gelegentlich eine Foto-Erlaubnis unterschreiben muss, die Fotos nur privat verwenden darf, und in Stettin sind Stativ und Buchscanner untersagt. Es ist von Vorteil, wenn man sich selber Baumwollhandschuhe mitnimmt, einerseits schützt es die Hände, anderseits aber auch die alten Akten. In manchen Archiven sind die Handschuhe sogar Pflicht!

Unser 1. Ziel war Gdynina (ehemals Gdingen oder Gotenhafen), eine Hafenstadt kurz vor Danzig. In Gdynia ist die Nebenstelle des Staatsarchives Danzig. Was Pommern betrifft, befinden sich dort die Grund- und Hypothekenbücher des Landkreises Lauenburg i. Pom. und teilweise der Kreise Stolp und Bütow.

Außenstelle Gdingen (Gdynia): https://www.gdansk.ap.gov.pl/pl/top/godziny-urzedowania-gdynia
Kontakt Gdingen: 
https://www.gdansk.ap.gov.pl/pl/top/kontakt-gdynia

Öffnungszeiten: täglich 08:00-14:00 Uhr

Adresse des Archives: ul. Handlowa 11, das ist am Stadtrand von Gdynia, in einem Industriegebiet, wenn man in Richtung Rahmel (heute Rumia) fährt. Wenn man in die Straße Handlowa reinfährt, muss man ein wenig wegen den vielen Schlaglöchern aufpassen. Am Ende der Sackgasse befindet sich eine unscheinbare Halle, in dem sich das Archiv befindet. Vor der Einfahrt ist ein elektronisches Tor, was sich nach wenigen Minuten automatisch öffnet (und ja, die lassen einen auch wieder raus….). Man kann direkt vor dem Eingang parken. Man geht durch die Eingangstür, und am Ende des Flures befindet sich der Lesesaal (Czytelnia). Dieser wurde in den letzten Jahren umgebaut und ist modern mit Leselampen und ausreichend Steckdosen ausgestattet. Eine Mitarbeiterin im Archiv sprach etwas deutsch, so dass wir uns verständigen konnten. Hier haben wir in 2 Tagen rund 40 Grundbücher durchgeblättert und fotografiert.

Lesesaal Staatsarchiv Danzig, Außenstelle Gdingen

An dem 3. Tag unserer Reise, an dem Mittwoch, haben wir mal eine „Archivpause“ eingelegt. Von Zackenzin (ehemals Kreis Lauenburg), wo wir in einem wieder toll hergerichteten Rittergut übernachtet hatten, sind wir zunächst über Bresin in die die Stadt Lauenburg (dem heutigen Lebork) gefahren. Dort waren wir im Rathaus auf dem Standesamt, wo Gerd die Geburtsurkunde seines Vaters bestellt hatte. Auch das war problemlos, nach gefühlt 5 Minuten erledigt. Anschließend hatten wir uns die Stadt angeschaut, waren u.a. in der Salvator- und Jacobikirche und am deutschen Gedenkstein. Es folgte eine Dörfertour, sozusagen auf den Spuren unserer Vorfahren, nach Luggewiese (an dem Haus, wo mein Großvater aufgewachsen ist), Neuendorf, Roslasin, Zinzelitz (dort gibt es direkt an der Kirche ein Lapidarium mit deutschen Grabsteinen) Labuhn und Groß Massow. Abends ging es dann weiter nach Köslin.

Rathaus von Lauenburg/Pommern, heute Lebork
Friedhof in Groß Massow

Am 4. Tag unserer Reise hatten wir uns im Staatsarchiv Köslin angemeldet. Dieses Archiv befindet sich zentral in der Innenstadt von Köslin, in der ul. Marii Skłodowskiej-Curie 2, unweit des Theaters.

Anschrift, Öffnungszeiten und Kontakt Staatsarchiv Köslin: http://www.koszalin.ap.gov.pl/kontakt-koszalin/

Öffnungszeiten: täglich 08:00 – 15:00 Uhr.

Man kann mit dem Auto direkt auf dem Hof parken, am Haupteingang ist eine Klingel, auch mit deutscher Beschriftung „Lesesaal“. Dieser befindet sich im Gebäude am Ende des Flures linke Seite. Auch hier sprechen die Mitarbeiter ein bisschen deutsch und englisch, die Akten lagen bereits bereit. Hier hatten wir Gundbücher von Groß Jestin (Kr. Kolberg-Körlin) und die Akte der Dorfschule Lanz, Kr. Lauenburg, bestellt.

Ansonsten liegen hier noch u.a. Akten der Amtsgerichte Kolberg und Körlin, verschiedene Standesamtregister, Schulakten u.v.m.

Auch hier ist der Lesesaal modern ausgestattet.

Staatsarchiv Köslin

Am 5. Tag hatten wir uns im Staatsarchiv Stettin angemeldet. Auch dieses Archiv liegt verkehrsgünstig mitten in der Innenstadt von Stettin, man kann entweder direkt davor parken (mit Parkschein) oder fußläufig in der Nähe, im Parkhaus einer Shoppingmall.

Anschrift und Kontakt des Archivs: https://www.szczecin.ap.gov.pl/pl/kontakt

Adresse: ul. św. Wojciecha 13 

Öffnungszeiten: Mo.- Mi. 08:30 – 18:00 Uhr, Do. – Fr. 08:30 – 15:00 Uhr

Auch hier haben wir die Akten bereits im Vorfeld online bestellt, einen Benutzerantrag online ausgefüllt, und hatten recht schnell eine Bestätigung von Herr Marczak (der zuständige Mitarbeiter aus dem Lesesaal) erhalten.

Wenn man das Gebäude betritt, muss man sich als erstes beim Pförtner ausweisen. Dann geht es die Treppe hoch, und dann links den Flur hinunter, die letzte Tür ist dann zum Lesesaal. Auch hier sprechen die Mitarbeiter ein wenig deutsch und englisch.

Wir hatten uns an dem Vormittag noch einmal 7 Akten aus dem Landratsamt Lauenburg i. Pom. bestellt, „Die Auswanderung diesseitiger Untertanen nach fremder Staaten 1891-1892“, „Die Erteilung der Heimatscheine“ und Einbürgerungsanträge.

Staatsarchiv Stettin

Fazit:

Auch wenn so eine Archivreise sehr anstrengend ist, lohnt es sich auf jeden Fall. Wir Familienforscher dürfen uns nicht nur auf die Standesamtregister und wenigen erhaltenen Kirchenbücher versteifen. Gerade die Sekundärquellen verraten sehr viel mehr über das Leben unserer Vorfahren, über Wehrdienst, Eigentum, Nachlässe, Auswanderung…. Und Genealogie-Anfänger brauchen absolut keine Scheu vor polnischen Archiven haben, man wird dort nicht aufgefressen und die Mitarbeiter vor Ort geben sich große Mühe und helfen wirklich weiter. Das Forschen und Arbeiten für private Zwecke ist in den Staatsarchiven kostenfrei, über ein freundliches „Dzień dobry“ oder „Dziękuję“ freuen sich dort alle Mitarbeiter.

Und auf so einer Reise lernt man das Land seiner Vorfahren, aber auch andere Familienforscher, kennen.

 

 

8 Gedanken zu “Keine Angst vor einem Besuch in polnischen Archiven – Ein kleiner Reisebericht und Hilfestellung”

  • Der Bericht klingt vielversprechend, aber eine Frage: Muss man polnisch sprechen und/oder schreiben können oder kommt man auch mit deutsch oder englisch weiter?

    • Hallo Annette Klären,

      wir sind mit einem paar polnischen Höflichkeitswörtern, ansonsten mit deutsch und englisch ganz gut durchgekommen. Viele polnische Archivare sprechen können deutsch, mal mehr, mal weniger.

  • Hallo Matthias,
    ganz lieben Dank für den sehr informativen Beitrag! Ich habe bislang nur das Archiv in Thorn auf der Suche nach den westpreussischen Vorfahren meiner Mutter besucht und die selben Erfahrungen gemacht: sehr freundliche hilfsbereite Mitarbeiterinnen.
    Du schreibst “…Grundbücher, Höferollen, Stammrollen, Auswandererakten, Testamente etc….” und da liegt meine Haupt-Hemmschwelle für einen Besuch in Köslin (die Vorfahren väterlicherseits stammen aus den Kreisen Belgard/Köslin/Neustettin): Was gibt es überhaupt (zusätzlich zu Standesamts- und Kirchenunterlagen) über Tagelöhner? Ansiedlungsakten? Gutsakten? Und wie heißen die dann richtig (auf Polnisch)?
    Die Dörfer meiner Vorfahren (Mersin-Friedrichsheide und Neu Rossnow) gingen vermutlich im HeyKa- und Rossnow-Stausee unter). Gibt es auch Bauakten und Umsiedlungsakten in den Archiven und wie heissen die überhaupt korrekt (auf Deutsch bzw. Polnisch)?
    Ganz herzliche Grüße und besten Dank
    Wolfgang Dorow

  • Hallo Matthias, vielen Dank für deinen Bericht. Ich plane seit einiger Zeit selber den Besuch in Köslin, habe mich aber bislang immer gescheut (Wer weiß, was auf mich zukommt?).
    Dieser Beitrag hat mir wieder vor Augen geführt, dass alles halb so wild wird, wenn man es angeht.
    Nochmals vielen Dank
    Klaus

  • Danke Matthias, da hattet Ihr Euch ja einen schön anstrengenden “Staatsbesuch” vorgenommen. Wobei Eure wichtigen Vorarbeiten zum Erfolg beigetragen haben! Aber was macht man, wenn man Spitzen-ahnen hat, von denen man nur weiß, dass sie einen Sohn gezeugt haben, den sie taufen ließen. Die KB von Zerrehne Altkreis Bublitz sind weg! War er als Büdner Eigentümer? Steuerpflichtig? Wenn ja, wo finde ich heute noch Belege darüber.

    • es gibt sicherlich noch viele Akten, wo man seine Vorfahren findet. Für viele Kreise gibt es Stammrollen, Höferollen oder Grundakten.

Die Kommentarfunktion ist deaktiviert.