Ein Beitrag von Christian Boose

 

Ortsfamilienbücher – eine exzellente Forschungsgrundlage für die Geschichts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
und
Das 1000. Online-OFB ist da!

Diese beiden Überschriften haben in kurzem Abstand die Mailinglisten und Blogs aufgerüttelt. Was geht da ab?! Jahrelang sitzen fleißige Kollegen und Kolleginnen in ihrem stillen Kämmerlein und tragen unermüdlich Daten und Fakten zusammen für eine Idee, die doch schon so alt ist und im Jahr 2000 durch das Internet einen ungeahnten Aufschwung erfuhr.  In einer Garage im Genealogie-Valley in Bremen (oder war es der Ratskeller…?) trafen sich Klaus-Peter Wessel,  Dr. Herbert Juling und eine Reihe weiterer namhafter Familienforscher, um die Familienforschung mit Hilfe von Datenverarbeitung und Computern auf ein neues Level zu heben. Dabei entstanden Projekte, die heute noch zum wichtigsten Bestand beim CompGen zählen, wie Grabsteine, Auswanderung, Passagierlisten und eben Online-Ortsfamilienbücher.

Der Erfolg der Online-Ortsfamilienbücher beflügelte das Projekt, die unbestreitbaren Vorteile der Online-Fassung gegenüber gedruckten Exemplaren und zig Millionen von Zugriffen in aller Welt veranlasste immer mehr Autoren, ihre Sammlungen in Form von Online-Ortsfamilienbüchern zu veröffentlichen.

Das alles war nur möglich durch den selbstlosen persönlichen Einsatz von Herbert Juling, der scheinbar 24 Stunden an sieben Tagen jede Woche mit Rat und Tat und engagiertem Einsatz die Autoren bei Laune hält.

Und nach und nach erkannten Wissenschaftler aus verschiedensten Fakultäten, was für ein ungeheuer großer und wertvoller Datenschatz hier heranwächst.

Zitat: Ein OFB zusammenzustellen, ist vielleicht die anspruchsvollste und ganz sicherlich eine für die gesamte Familiengeschichtsforschung besonders nützliche Form genealogischer Arbeit.

Um herauszufinden, ob und wie sich der Datenfundus aus mittlerweile 1.000 Online-Ortsfamilienbüchern wissenschaftlich erfassen und verarbeiten lässt, hat sich eine Gruppe namhafter Wissenschaftler zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengetan. Dazu gehören Prof. Georg Fertig (Universität Halle), Prof. Ulrich Pfister (Universität Münster) und Prof. Robert Stelter (Universität Basel).

Ihr Ziel ist es, die Daten für die historische Demographie, also die Wissenschaft von der Bevölkerung, und für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte zu nutzen.

Zitat: Sehr grob geschätzt schlummert in den Online-OFBs ein Datenschatz von einigen hundert Orten für die historisch-demographische Forschung – und ein doppelt so großer für die Orts-, Mikro- und Allgemeingeschichte.

Dr. Herbert Juling hat den kürzlich veröffentlichten Blogbeitrag mit statistischen Auszählungen unterstützt, und auf seinen Vorschlag durfte ich beratend an der Ausarbeitung des Blogbeitrags teilnehmen. Der Blogbeitrag ist hier zu lesen. Wem der Artikel möglicherweise zu wissenschaftlich ist, findet im Folgenden weitere Informationen.

Großer Wert wird auf das Einverständnis und die freiwillige, einvernehmliche Mitarbeit jedes einzelnen OFB-Autoren gelegt. Robert Stelter hatte bereits vor Veröffentlichung des Blogbeitrags am 10.10.2022 an alle OFBler geschrieben:

(Ausschnitt): Mein Name ist Robert Stelter. Als Wirtschaftshistoriker an der Universität Basel untersuche ich das Zusammenspiel von demographischer und wirtschaftlicher Entwicklung. Eine wertvolle Datenquelle für die Vertiefung und Erweiterung der bestehenden Erkenntnisse für den deutschsprachigen Raum sind Ortsfamilienbücher. Welches Potenzial in ihnen steckt, hat eine kleine Pilotstudie für ausgewählte Ortsfamilienbücher in den letzten Monaten bereits beleuchtet. Die Ergebnisse sind äußerst vielversprechend und werden zeitnah in einem neuen gemeinsamen Blogbeitrag mit Georg Fertig und Christian Boose auf www.compgen.de für Sie nachzulesen sein. …

Bei der Bestandsaufnahme anhand einiger Online-OFBs aus NRW erkannten die Forscher, dass es das Online-Ortsfamilienbuch eigentlich nicht gibt. Es gibt (ohne Anspruch auf Vollständigkeit!) OFBs für:

  • einen Ort
  • ein Kirchspiel
  • eine Familie/-ngruppe
  • eine Anzahl benachbarter Orte / Kirchspiele
  • eine Region
  • eine Berufsgruppe

Quellen der Informationen:

Primärquellen wie Kirchenbücher, Standesamtsregister, Volkszählungen.
Sekundärquellen wie Kirchennebenbücher, Kirchenbuchabschriften.
Bei fehlenden vorbezeichneten Quellen persönliche Aufzeichnungen, Briefe, Erzählungen.

Auch das Ziel der Autoren ist unterschiedlich:

  • Daten nur aus einem Ort
  • Daten nur aus einem Kirchspiel
  • Daten aus einer Region
  • Daten wie vor, jedoch mit Anschlussdaten aus benachbarten Gemeinden
  • Daten wie vor, jedoch mit möglichst vollständigen Familiengruppen

Die Zeitspanne der erfassten Daten ist bei allen OFBs verschieden.

Und last not least: ein OFB ist niemals endgültig fertig!

Wie erhält man jetzt die gewünschten Informationen aus dieser unübersichtlichen Datenflut?

Wissenschaftler gehen wissenschaftlich vor, sie erfassen, zerlegen und gruppieren gleiche oder ähnliche Informationen (anonymisieren) und werten sie nach eigenen Vorgaben gegeneinander aus.

Praktiker fragen sich, was soll ich suchen bzw. finden – und informieren sich über die Auswertungsmöglichkeiten ihres Genealogie-Programms mit vielen überraschenden Ergebnissen.

Welche dieser beiden Varianten die Wissenschaftler anwenden, ist ihre Sache.

Auf jeden Fall wäre es hilfreich, wenn so viele Autoren wie möglich ihr Einverständnis zur Verarbeitung der Daten ihrer Online-OFBs geben würden. Wer also bereit ist, seine Daten für die Forschung zur Verfügung zu stellen, möge sich bei der AG melden.

Wir Online-OFB-Autoren haben die Arbeit geleistet, damit so viele Familienforscher wie möglich in aller Welt unentgeltlich die Daten nutzen können, um über die Erforschung der eigenen Familie zum schönsten Hobby der Welt zur Mitarbeit an der gemeinsamen Familienforschung geführt werden.

Die Beachtung der bisher geleisteten Arbeit durch Wissenschaft und Forschung sehe ich als Anerkennung und Aufwertung der Online-Ortsfamilienbücher.

Eines möchte ich klar hervorheben: Technisch wäre es kein Problem, mit geeigneten Programmen die Informationen aus dem Internet zu saugen. Umso mehr ist es anzuerkennen, wenn die Wissenschaftler bewusst die persönliche Ansprache der Autoren gesucht haben.

In der Zwischenzeit hat es eine Reihe von Nachfragen zur Datensicherheit, zum Datenschutz, zum Autorenrecht und zur Nennung der Namen der Autoren bei der Weiterverarbeitung der gewonnenen Daten gegeben, die in der Mailingliste OFB-L detailliert beantwortet wurden. Jeder Autor entscheidet für sich selber, ob und welche Daten er der Forschung zur Verfügung stellen will.

Wie eine Vereinbarung zwischen der AG und den Autoren aussieht, wird noch im Detail erarbeitet. Sie besteht aus einem Datenblatt über Art und Umfang des OFBs und einer ausführlichen Zusicherung über die Verwendung der zur Verfügung gestellten Daten. Diese werden in einem späteren Blogbeitrag gezeigt. Es steht natürlich jedem OFB-Autoren frei, darüber hinaus eigene Vereinbarungen zu treffen.

Fazit: Die Würdigung der Online-Ortsfamilienbücher durch die Wissenschaft soll uns anspornen. Die im CompGen-Blog genannten Wünsche möchte ich nur unterstreichen

  • Mehr Online-OFBs! Jedes neue OFB ist besser als keines.
  • Genaue Quellen- und Ortsangaben.
  • Alle verfügbaren Informationen in die OFBs einbauen.
  • Im Text der Vorbemerkungen den Ort, den Umfang und die Zeiträume beschreiben.