Salzburgische Emigranten
“Salzburgische Emigranten” aus: Die Vertreibung der evangelischen Salzburger und ihre Aufnahme in Preußen, Thouret, Georg, 1898 (Link zum pdf-dokument)

Ein schöner warmer Herbsttag des Jahres 1732 ging zur Neige. In langem Zuge bewegten sich Wanderer auf der alten Nasebander Landstraße auf Bublitz zu. Es waren Männer. Frauen und Kinder von fremdländischem Aussehen, mit breitkrempigen Hüten und langen Röcken von dunkler Farbe, die Männer in Wadenstrümpfen. Man bemerkte auf den ersten Blick, dass es Fremdlinge waren, allen war anzusehen, dass sie eine lange Wegfahrt hinter sich hatten. Mühsam nur kamen sie auf den sandigen Waldwegen vorwärts. Es war ein Teil der Salzburger Emigranten. die durch das Edikt des Erzbischofs Leopold von Firmian von Salzburg im Herbst 1731 um ihres protestantischen Glaubens willen aus ihrer Heimat vertrieben wurden .“Mit hintantragendem Sack und Pack” und dem Segenswunsch „So fahret hin zum Teufel“ wie es in alten Schriften heißt, mußten sie auf Befehl des Erzbischofs und ohne Schutz des Kaisers über die Grenze.

Empfang der Salzburger Exulanten (Quelle commons wikimedia, public domain)
Empfang der Salzburger Exulanten (Quelle commons wikimedia, public domain)

Der ebenso kluge wie hochherzige König Friedrich Wilhelm I von Preußen hatte ihnen in seinem Lande Asyl angeboten, ihnen Führer bis zur Grenze entgegen geschickt und gab auch jedem ein Zehrgeld für die weite Reise Sehr viele der Flüchtlinge hatten alles in der Heimat zurückgelassen, viele hatten nur das mitgenommen was Sie tragen oder auf zweirädrigen Karren fortschaffen konnten. Nur wenige hatten ein Pferd behalten, das das mit Kranken und Gebrechlichen beladene Gefährt zog. So waren sie in vielen Tagemärschen nach der Hauptstadt Berlin gekommen. Es war Ende April 1732 als die ersten dort eintrafen. Die Geistlichkeit, die Schulen und der König kamen ihnen entgegen und geleiteten sie durch das Hallesche Tor in die Stadt. Rührend war es gewesen, als der König selbst ein frommes Lied anstimmte, in das alle, die Einheimischen und die Fremden, einfielen. Schöne Tage der Ruhe und Erholung hatten sie dort verlebt Aber sie mußten weiter, “Die Manufakturisten nach der Neumark, die Ackerleute nach (Ost) Preußen” hatte der König bestimmt. Die Reise war weit und beschwerlich, und so manchem müden Wanderer fiel der Stab aus der Hand und er fand sein Grab in fremder Erde.

Es ging über die Oder bei Schwedt, dann über Freienwalde, Pyritz und Stargard nach Osten. In Berlin hatte man Pommern als ein Land der Einöde und Wildnis und die Bewohner als roh und wenig kultiviert geschildert. Überall aber waren die Emigranten, wie das Volk sie nannte mit christlicher Liebe empfangen und aufgenommen worden, soweit die Mittel reichten, und überall schieden sie mit dankerfülltem Herzen.

Der Tag war heiß und beschwerlich gewesen, als sie durch die Wälder von Naseband ostwärts zogen und nur wenige Häuser am Wege angetroffen hatten. Die Kranken und Schwachen besonders sehnten das nächste Reiseziel herbei und verlangten schmerzlich nach einem Obdach und Linderung ihrer Leiden. Der kleine Michael und das Theresl auf einem Wagen weinten und jammerten laut und stöhnten vor Schmerzen, daß die Eltern es kaum mehr ertragen konnten Das Mariele auf einem anderen Karren lag still und ächzte nur leise in den Armen der Mutter und bat um einen Trunk Wasser, das leider so knapp war, um die fiebertrockenen Lippen anzufeuchten. Da kam die Spitze des Zuges aus dem Walde heraus. Ein Ausruf des Erstaunens und freudiger Überraschung entrang sich den Lippen der müden Wanderer. Vor ihren Augen breitete sich ein liebliches Tal aus mit einem sich durch saftige Wiesen schlängelnden Bächlein, umrahmt von sanft geschwungenen bewaldeten Höhen. Im Tale lag eine Reihe von schmucken Häuschen um ein Kirchlein herum. Das Bild erinnerte sie an ihre alte, verlorene Heimat mit ihren Bergkuppen und grünen Matten, und lange Zeit hemmten sie, versunken in den Anblick de’ friedlichen, von der Abendsonne beleuchteten Landschaft ihre Schritte.

Dann aber hastete alles mit frischen Kräften vorwärts. “Wo sind wir?” hieß es. Bald kamen Kinder und einige Erwachsene, die auf dem Felde arbeiteten, ihnen entgegen und riefen ihnen zu. “Das ist Bublitz. dort müsst ihr über den Bach!” Bald waren die ersten Häuser und die Brücke erreicht. Der Torschreiber Detlof Fromm begrüßte die Wanderer, nicht wie sonst üblich den Zoll heischend, sondern führte sie in die Stadt. Gelobt sei Jesus Christus sang die Schar, die Bublitzer fielen ein und eine große Menschenmenge begleitete sie bis auf den Marktplatz. Dort drängten sich die froh erregten Einwohner, alt und jung, arm und reich, um die Fremden, von deren Erlebnissen sie schon durch die Obrigkeit und durch Briefe von auswärts vernommen hatten. Schnell wurden alle auf die Quartiere verteilt, und war auch das Städtlein klein, umso größer war die Freude, Gastfreundschaft und Teilnahme an dem Geschick der vertriebenen Salzburger. Jeder wollte ihnen Liebes und Gutes erweisen. Der alte Stadtchirurgus David Kasüske bemühte sich um die Kranken, der Pastor Holk* spendete den Trauernden Segen und Trost, und der Herr Bürgermeister half mit Rat und Tat. Aber bei den Schwerkranken kam jede Hilfe zu spät. Der kleine Michael erlag den schwarzen Pocken, die den zarten schwachen Körper arg gepeinigt hatten in derselben Nacht und das Theresl konnte dem hitzigen Fieber nicht mehr lange widerstehen und schlief auch bald ein. Das Mariele nahm der Herrgott am anderen Tage in sein Reich und erlöste es von seinem Leiden.

Wermuth
Silberne Gedenkmünze:Wermuth, Christian: Aufnahme Salzburger Emigranten 1732

Groß war der Schmerz und die Klage der Eltern und Anverwandten, ebenso groß die Teilnahme der Bublitzer Bewohner, die alles taten, um Schmerz und Trauer der Leittragenden zu lindern. Die beiden Kleinen wurden, nachdem der Totengräber jedem ein Grab bereitet hatte, „des Abends stille begraben”, wie es im Kirchenbuche heißt. Nach zwei Tagen wurde Mariele, die die sechzehn Jahre alt, der schweren Lungenseuche erlegen war, “mit der Schule und rühmlicher Folge von allen Gewerken begraben”. Die Schulkinder, geführt von Rektor Miethmann und Kantor Frohberg, sangen schöne Lieder, der Sarg, getragen von Handwerkern, war von den Bürgern reich mit Blumen geschmückt. Hinter dem Pastor und den nächsten Angehörigen kam der lange Zug der Trauernden und der Gewerke mit ihren Abzeichen und Fahnen. “Jesus, meine Zuversicht” erscholl es auf dem Wege zum Grabe neben der Kirche. Pastor Holk sprach von der verlorenen Heimat, den Leiden auf dem Marsche, dem Sterben in der Fremde und den Eingang in die ewige Heimat, das himmlische Reich. Das schöne alte Lied: „Liebe Eltern weinet nicht. Laßt das übergroße Grämen, Da mein Lebensfaden bricht Und ich jung muß Abschied nehmen-‘ sang die ganze Trauergemeinde tiefergriffen. Viele weinten und schluchzten laut und alle wollten den Eltern und Verwandten zum Schluß die Hand drücken und ihnen ein Wort des Trostes sagen.

Nur wenige Tage der Ruhe waren den Wanderern vergönnt, denn das Ziel, Ostpreußen, war weit und sollte noch vor Wintersanfang erreicht werden. In der Frühe eines Oktobertages, kaum war die Sonne aufgegangen, sammelten sich alle zum Abmarsch auf dem Markte. Einige Ackerbürger spannten ihre Pferde vor die Karren, um noch eine Strecke Weges den abgetriebenen Tieren und ermatteten Menschen die Arbeit zu erleichtern. Dann ging es mit Gesang zur Stadt hinaus, der Sonne entgegen. Eine große Menge folgte dem Zuge bis zur Höhe vor dem Walde. Dort rasteten sie noch eine kleine Weile und blickten zurück auf die von den Strahlen der Morgensonne beleuchteten gastlichen Stadt, wo sie so viel Liebe erfahren und drei ihrer Glieder zurückgelassen hatten. Dann kam das Abschied nehmen. Viele Hände wurden geschüttelt, manche Träne vergossen. Hüte wurden geschwenkt. Die Flüchtlinge setzten ihren Marsch nach dem Walde fort und sangen das Lied „Befiehl du deine Wege”, das so recht für diese Stunde passend war und in dem es heißt:

„Der Wolken, Luft und Winden
Gibt Wege. Lauf und Bahn.
Der wird auch Wege finden.
Da dein Fuß gehen kann.”

Als der Wald die letzten schon aufgenommen hatte, tönte immer noch ihr Gesang hinüber zu den Bublitzern, die langsamen Schrittes, still und andächtig zu ihrem Städtchen zurück und an ihr Tagewerk gingen.

Von Sanitätsrat Dr Seyffert-Bublitz

Aus den Bublitzer Briefen März und April 1982 (Nr. 348 + 349)
(Kennt jemand die Original-quelle? Dieser Sanitätsrath müsste um 1910 in Bublitz gelebt haben)
* wohl Pastor Joachim Holce

Weitere interessante Links zu den Salzburger Exulanten:

Salzburger Exulanten (Mit Link zu Gerhard Gottlieb Günther Göcking: Emigrations-Geschichte von denen aus dem Ertz-Bißthum Saltzburg vertriebenen und in dem Königreich Preussen größtesten Theils aufgenommenen Lutheranern.)

Homepage des Salzburger Verein e.V. mit Liste der Familiennamen ostpreussischer Salzburger

Die Emigration der evangelischen Salzburger Eine Zusammenstellung von Gerhard Huß
in: Lübecker Beiträge zur Familien-und Wappenkunde Heft 60 des Vereins für Familienforschung e.V. Lübeck

Salzburger Exulanten 1743 bei ihrem Zug durch Bütow, Zusammenstellung von Klaus-Dieter Kreplin
“Das Salzburger Tuch von 1707” mit Marschkarte der Salzburger Emigranten
Empfang der Salzburger Emigranten – Bericht über ein Fresko in der Friedrichschule in Gumbinnen

Exulanten-Denkmale

Die Vertreibung der Salzburger Protestanten und their Aufnahme bei Den Claubensgenossen: Ein kulturgeschichtlidhes Zeitbild Aus dem 18 Jahrhundert: mit 42 Zeitgenössischen Kupfern / C. Fr. Arnold. – Verlegt bei Eugen Diederichs, 1900.
gefunden über  Rambow-Genealogie
Link zum online-lesen oder download  bei der russischen Staatsbibliothek

M.Ott

Ein Gedanke zu “Der Zug der Salzburger durch die Stadt Bublitz 1732”

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