Ein Beitrag von Jürgen DIEM

 

Über diese Geschichte, die um 1880 in Tribsow spielte, soll sogar in der Camminer Zeitung berichtet haben. Meine Großmutter, die als Elisabeth Haack im Jahre 1894 in Tribsow geboren wurde, hat diese Erlebnisse ihres Vaters Hellmuth Haack so wiedergegeben:

Kartenausschnitt Pommern 1939, Stielers Handatlas, David Rumsey Historical Map Collection

 

Der Tribsower Gutsbesitzer hatte abends noch eine eilige Bestellung für den Müller zu überbringen. Telefon gab es damals noch nicht. Also sagte die Gutsbesitzerfrau ihrem Sohn, er solle mit der Nachricht zur Mühle gehen. Es war aber inzwischen schon dunkel und er wollte nicht allein gehen. Der Weg führte durch einen Hohlweg und es war um diese Tageszeit dort recht ungemütlich. „Geh doch mit Helmuth und nimm die neue Petroleumlaterne mit.“ Mit Helmuth war ich gemeint. Ich war damals Kutscher auf dem Gut und so etwa achtzehn Jahre alt. So wackelten wir beide los. Nachdem der junge Herr seine Aufgabe auf dem Mühlenberg erledigt hatte, machten wir uns wieder auf den Heimweg.

Während wir nun bergab trabten, wollten wir einmal ausprobieren, was die neue Laterne so verträgt. Wir schwenkten die Lampe abwechselnd im Kreis herum und die ging dabei tatsächlich nicht aus. Jetzt versuchten wir, wer es am schnellsten konnte. Das war ein großer Spaß. Woran wir nicht dachten: Durch das Laufen war das Licht vom Ort aus mal hier, mal da zu sehen, dann waren wir ganz im Hohlweg verschwunden, dann wieder zu sehen, dann durch Bäume verdeckt. Wir kürzten den Weg ab, weil ich noch bei meiner Mutter vorbeischauen wollte.

Wie wir uns dem Teich nähern, wo sich der Weg gabelt, hören wir aufgeregtes Erzählen. „Mach die Laterne aus, wir wollen mal horchen, was da los ist.“ So näherten wir uns ohne Licht der Gruppe und hören von Spuk, der sich gerade ereignet hätte. Einer sprach sogar von Zeichen am Himmel. Es wurden allerhand abenteuerliche Vermutungen angestellt.

Jetzt wurden wir hellhörig. Hatten wir hier eine Sensation verpasst? Aber dann dämmerte es uns. Waren wir vielleicht gemeint? „Was war denn hier los?“, fragten wir. „Hier war das Feuerrad! Ganz doll!“, meinte einer und ein anderer blieb dabei, es müsse ein Zeichen am Himmel gewesen sein, davon ließe er sich nicht abbringen. Die, die das sagten, waren alles lauter vernünftige und gesetzte Leute.

Wir beiden jungen Burschen wollten das nicht so im Raum stehen lassen und es kitzelte uns, unsern Ulk damit zu machen. Das konnten die alten Herren nicht auf sich sitzen lassen und wurden ganz grantig: „Wenn ihr Bengel nicht macht, dass ihr nach Haus hinkommt, dann…“ und drohten uns. Sie waren ganz aufgeregt und empört, dass zwei junge Burschen sie belehren wollten über etwas, was sie nun mit eigenen Augen gesehen hatten. Das war Spuk!

„Hast du Streichhölzer dabei?“, flüsterte ich, „dann können wir noch mal durch die Koppel gehen und den Spuk von vorn beginnen.“ Das ging leider nicht. So trollten wir uns wieder nach Hause und erzählten der Gutsbesitzerfrau von dem Ereignis. Die war sehr für solche Späße zu haben und wollte sich kaputtlachen: „Das müsst ihr morgen noch mal machen, das will ich auch sehen.“ Gesagt, getan.

Der nächste Abend kam. Was zuerst Zufall war, wurde von nun an mit Vorbedacht ausgeführt. Zuerst wurde überlegt und geplant und dann ging die Sache los. Diesmal tobten wir nicht nur vom Berg herunter, wir suchten uns auch noch weitere Stellen aus, so dass es auch noch andere Leute zu sehen bekamen. Jetzt rumorte es im Ort. „In Tribsow spukt es! In Tribsow geht das Feuerrad um!“

Das lief eine ganze Zeit, dann wurde der Gutsbesitzersohn krank. Da schlug seine Mutter mir vor, ich solle mir einen verschwiegenen Freund aussuchen und mit ihm den Rummel weiter machen. Wilhelm Schmeling war dafür richtig. Nun gingen wir beide los. Langsam wurde es Routine und wir bekamen noch eine zweite Laterne zur Verfügung gestellt. Solche Laternen waren noch recht unbekannt im Ort, üblich waren die Tranfunzeln. Unsere Laternen waren an besonderen Stellen versteckt, zu denen wir ganz arglos durch den Ort gehen konnten, um dann mit dem Spuk zu beginnen. Nun drängten die älteren Leute doch nach Aufklärung. Es musste ja irgendeine Ursache zu finden sein.

Wachen wurden eingeteilt. Jeweils zwei Männer gingen zusammen. Wilhelm und ich waren auch dabei. Wir haben uns abgesprochen, passende Wege ausgesucht, kurz gespukt und dann konnten wir berichten: „Heute waren wir ihnen ganz dicht auf den Hacken. Beinahe hätten wir sie gekriegt.“ – „Und wo war das?“ – „Ja, dahinten.“ Wir haben ganz schön gewirtschaftet. In Untertribsow und in Obertribsow, überall waren wir unterwegs. Wir kannten ja das adlige und das städtische Dorf ganz genau. Die Wiesen, das Bruch und die sieben Teiche sorgten für viel Feuchtigkeit und so war es auf dieser Seite oft recht neblig. Das verstärkte noch die Wirkung. Der Gutsbesitzerfrau gefiel der Spaß so gut, sie ließ sich sogar Feuerwerkskörper schicken. Eine Neuheit waren die Frösche. Wenn eine Gruppe versammelt war, warfen wir einen Knallfrosch dazwischen. Dann rannte der Haufen auseinander. Der Spuk beunruhigte nicht nur das Dorf, auch in der Stadt Cammin wurde man aufmerksam und die Kreiszeitung schickte ihren Reporter, der einen großen Artikel in die Zeitung setzte.

Das ging noch einige Zeit weiter, aber einmal muss auch der beste Spaß sein Ende haben. Langsam artete es ja in Arbeit aus und das Wetter wurde zunehmend schlechter. Bei Schnee hätte man unsere Spuren gesehen und wäre uns auf die Schliche gekommen. So wurde verabredet: „Heute treiben wir es noch einmal ganz toll, und dann ist Schluss damit.“ Wir haben an diesem Abend auch alle Register gezogen. Wenn die Mädchen auf der Straße zum Spinnen gingen, dann kam das Feuerrad in ihre Nähe. Eigentlich hätten sie sehen müssen, wie wir da laufen. Die haben aber vor Angst gar nicht mehr hingeguckt. Ihre Pantoffeln blieben in der Pfütze stecken, damals waren die Wege noch nicht befestigt. Einige ließen in der Aufregung die Spinnräder stehen und suchten am anderen Tag ihre Sachen alle wieder zusammen.

Nach diesem Höhepunkt unserer Streiche gingen wir in den Krug. „Darauf trinken wir noch mal einen, das war ein toller Abschluss.“ Als wir im Krug eintrafen, da standen alle kopf. Der Gastwirt sagte gerade zu seinem Schwager: „Du Wilhelm, das muss ein Ende haben. Den Spuk müssen wir an die Kirchentür nageln. Das geht nicht mehr so weiter.“ Beide waren große kräftige Männer, der Gastwirt Karl Buth und sein Schwager Wilhelm Bornfleth. Um zwölf Uhr sollte es losgehen. Gut, dass wir das wussten. Wir sind schon vorher zur Kirche gegangen. Am Eingang zum Friedhof standen große Pfeiler. Hinter denen waren wir versteckt. „Wenn sie kommen, dann hucken wir auf.“ Und wirklich, die beiden kommen. Wir springen ihnen auf den Rücken und lassen uns Huckepack tragen. Die beiden gehen ganz treu und brav über den Friedhof zur Kirchentür, drehen sich um und gehen wieder zurück. Als sie die Pfeiler erreicht haben, lassen wir los und sie gehen wortlos weiter.

 

Wir nehmen die Abkürzung und laufen zum Krug zurück. Alle stehen schon draußen und warten auf den Krüger und seinen Schwager: „Na, wie ist es gewesen?“ – „Leute, über die Sache wird nicht geredet. Davon versteht ihr nichts, da könnt ihr nicht mitreden.“

Daraufhin verabredete ich mit meinem Freund Wilhelm: „Die beiden, die haben doch wirklich Courage gezeigt, das müssen wir ihnen wirklich lassen. Sie müssen bei dem Glauben bleiben, sie hätten den Spuk angenagelt. Darüber sprichst du nicht, ich werde auch nichts davon erzählen.“ Eine lange Zeit ging darüber hin, und die beiden bildeten sich ein, sie hätten den Spuk gebannt. Aber mein Freund Wilhelm konnte doch nicht ganz schweigen, als er eine Frau hatte. Da hat er sich eines Tags verplappert und dann war es aus mit dem Geheimnis.

 

 

Ein Gedanke zu “Spuk in Tribsow”

  • Meine Urgroßmutter Marie Kirsch wurde 1867 in Tribsow geboren. Ihr Vater Berthold Kirsch war dort viele Jahre der Lehrer. Zu damaliger Zeit war der Lehrer zugleich Kantor und Küster, so dass er auch die Glocken der Kirche zu läuten hatte, was die Kinder besorgen mussten und wovor sie sie sich besonders im Dunklen ängstigten, da dle Kirche vom Friedhof umgeben war.

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